Samstag, 27. September 2014

LongListLesen: Isabel von Feridun Zaimoglu

"Männer ohne Land. Frauen ohne Himmel. Zeit nach den Exzessen. Aufgebrauchtes, aufgesogenes Licht - Schluss."


Zaimoglus Sprachstil war nach den ersten paar Seiten für mich etwas gewöhnungsbedürftig: Harte, stakkatoartige, verkürzte Sätze. Bildreiche Wortwahl. Je weiter sich die Geschichte jedoch entfaltet hat, ergaben die Sätze für mich ein gutes Rhythmusgefühl und ich kam in den richtigen Lese-Flow. Zum Schluss war ich ganz begeistert von der Sprache, viele Metapher und Bilder haben mich zum Schmunzeln gebracht. Vor allem fand ich sie einfallsreich und originell. Ich kann mich nicht erinnern, sie schon mal irgendwo anders gelesen oder gehört zu haben. Allein wegen der ungewöhnlichen (im positiven Sinne) Sprache, würde ich Isabel gern ein zweites Mal lesen.  


Ähnlich wie mit der Sprache, ging es mir auch mit der Handlung. Isabel, die aus einem anderen, fernöstlichen Land (Türkei?) kommt, lebt jetzt in Berlin. Sie war wohl mal Model und Schauspielerin, pflegt jetzt aber einen heruntergekommenen, verwahrlosten Lebensstil. Zu Beginn der Handlung zieht sie bei ihrem Exfreund aus. Täglich streift sie mit ihrer Hündin durch die Straßen und holt sich Essen und Kleidung bei Wohltätigkeitseinrichtungen. Sie bewegt sich am Existenzminimum und scheint keinen Antrieb zu verspüren, ihre Lage zu ändern.Auch von Männern hat sie die Nase voll. Sie will nichts und stellt keine großen Erwartungen ans Leben. Sie lässt sich treiben. Anfangs habe ich mich gefragt, wo die Geschichte hinführen soll. Doch dann taucht der Soldat Marcus auf und fragt nach Isabels Freundin Juliette. Marcus war mal mit Juliette zusammen, doch sie hat ihn abserviert und sich mittlerweile umgebracht, nachdem sie ein Kind von Marcus zur Welt gebracht hatte. Marcus will wissen, warum und wo dieses Kind ist. Juliettes Mutter Christine ist Marcus und Isabel keine Hilfe. Plötzlich ist Christine tot. Welche Rolle spielt ihr Sohn Patrick dabei, der Isabel auflauert und sie erpresst? Er ist eine fiese, fiese Gestalt. Und auf einmal ist die Spannung da und fesselt einen.

Außerdem entwickelt sich die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Isabel und Marcus. Er will ihr helfen, sie will ihm helfen, aber sie will sich nichts von ihm vorschreiben lassen. Sie streiten und lieben sich im Wechsel. Ob er der richtige ist für Isabel? Darum geht es letztendlich gar nicht. Wir sind hier ja nicht in einer 0-8-15-Liebesschnulze. 

Isabel ist ein emotional geladener Roman, aber auf eine raue, schonungslose und trostlose Art. Dieser ganze andere, eigene Blickwinkel hat mir gefallen. 

Mit diesem Roman mache ich bei Vera von glasperlenspiel13.com beim LongListLesen mit und ich bin richtig glücklich, dass ich mich um Isabel beworben hatte. Ich habe die Lektüre sehr genossen. Was haltet ihr von dem Roman?

Übrigens finde ich die LongListLesen-Aktion richtig klasse. Eine gute Gelegenheit sich mal intensiver mit der gegenwärtigen deutschen Romanlandschaft zu beschäftigen. 

Liebe Grüße
Madeleine

4 Kommentare:

  1. Was das Longlist-Lesen betrifft, stimme ich dir vollkommen zu! Ich habe mich lange nicht so intensiv mit der aktuellen deutschen Literaturszene auseinander gesetzt und bin sehr froh darüber. Ich habe gerade "Die Pfaueninsel" beendet und lese nun "Zwei Herren am Strand". Maike hat "Panischer Frühling" gelesen und bei uns vorgestellt. So intensiv einer Preisverleihung entgegen zu fiebern macht richtig Spaß.
    Ich finde es insgesamt unheimlich interessant, welche Themen so als preiswürdig ausgewählt wurden.
    Liebe Grüße
    Mareike

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    1. Hi Mareike,
      dann muss ich unbedingt noch bei euch vorbeischauen und mir eure Vorstellungen aus der Long List anschauen. Ist ja echt immer ein kleines Zeitproblem, sich mit allem auseinander zu setzen. Ich würde ja gern mehr lesen, schaff es aber einfach nicht.
      Liebe Grüße
      Madeleine

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  2. Hallo Madeleine,

    bis zu Zaimoglu habe ich es in meiner Leserei der Longlist nicht geschafft bisher. "Pfaueninsel" liegt gerade offen herum und ich habe mich vorher noch für "April" entschieden. Übrigens scheinen sich Klüssendorf und Zaimoglu bei dieser stakkatoartigen Sprache zu gleichen. Ich kenne von Zaimoglu nur einige Kurzgeschichen - vielleicht lohnt es sich, diesen Roman noch zu kaufen.

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    1. Hi Lola,
      danke für deinen Kommentar. Ich kannte von Zaimoglu bisher noch gar nichts, wollte aber "Isabel" schon Anfang des Jahres lesen und kam dann nicht dazu. Wie gefällt dir "April" bisher?

      LG
      Madeleine

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